Mein Weg aus der Sucht

Veröffentlicht am 30. März 2025 um 05:47

Mein Weg aus der Sucht – Eine Reise zu mir selbst

Wenn du diesen Text liest bist du vielleicht selbst betroffen. Vielleicht hast du einen Verdacht, dass du ein süchtiges Verhalten hast. Es muss ja „nur“ Zigaretten Konsum sein. Wo man einfach ganz genau weiß, dass man damit seinem Körper Schaden zufügt und es trotzdem nicht lassen kann. Geraucht habe ich auch einmal, aber das stand für mich nicht im Vordergrund. Oder du liest diese Zeilen, weil du jemanden helfen möchtest. Man muss sich klar sein, dass wir in einer suchterzeugenden Gesellschaft leben, in der laut Anna Lemke, MD die digitale Technik unsere Fähigkeit damit umzugehen überholt hat. Anna Lemke doziert an der renommierten US-Universität Stanford und ist Autorin des Bestsellers „Dopamin Nation“. In diesem Buch erklärt sie mit spannenden Geschichten basierend auf ihren Erfahrungen als Psychiaterin und Suchtexpertin, was man von Menschen lernen kann, die ihre stofflich gebunden Süchte überwunden haben.

Auch das Buch von Dr. Gabor Maté „Der Mythos des Normalen in einer toxischen Welt“ liefert nicht nur Erkenntnisse und Erklärungen sondern auch Lösungen. Wenn du mit Suchtkranken, Kindern oder Jugendlichen arbeitest, solltest du dieses Buch gelesen haben. Darüber hinaus berichtet Dr. Gabor Maté ganz ehrlich von seinen eigenen Süchten und süchtigen Verhaltensweisen. Denn es gibt einige nicht stoffgebundene Süchte. Je achtsamer man wird umso mehr erkennt man die Dopaminausschüttung im Gehirn und welche anderen Wege belohnend sind.

Mein Weg aus der Sucht war von viel Glück geprägt. Doch bevor ich dieses Glück wirklich erkennen konnte, lag ein langer, oft schmerzhafter Weg vor mir. Eine Reise, die mich von Essstörungen über Alkoholkonsum bis hin zur Selbsterkenntnis führte.

Die Anfänge: Essen als Betäubung

Mit 16 Jahren begann ich, meine Gefühle mit Essen zu betäuben. Ich aß nicht, weil ich Hunger hatte, sondern weil das Essen mir half, unangenehme Emotionen zu unterdrücken. Erst mit 24 wurde mir bewusst, dass mein Verhalten süchtige Züge hatte – auch wenn der Begriff „Esssucht“ in der Medizin nicht als Diagnose existiert. Auf der anderen Seite ist längst bekannt, dass Zucker Dopamin ausschüttet und dadurch ein Belohnungssystem aktiviert, das sich kaum von dem bei Nikotin, Alkohol oder Kokain unterscheidet.

Mein Alltag drehte sich zunehmend um das Essen. Ich nahm mir vor, bestimmte Kalorienmengen nicht zu überschreiten – doch am Ende des Tages hatte ich weit mehr zu mir genommen. Als das schlechte Gewissen unerträglich wurde, fing ich an, das Essen wieder zu erbrechen. Ein Teufelskreis begann.

Die Suche nach Hilfe

Ich suchte mir professionelle Hilfe, doch die erste Therapeutin sagte mir nur, dass ich mich selbst wie einen Mülleimer behandeln würde. Diese Vergleiche halfen mir wenig. Immer wieder suchte ich nach anderen Therapieansätzen – und mit der Zeit wurde es besser. Doch der Kampf war noch lange nicht vorbei.


Mit 30 Jahren zog ich erstmals in meine eigene Wohnung. Plötzlich stellte ich fest, dass ich nicht schlafen konnte. Irgendwann griff ich zu einem Glas Wein – und bemerkte, dass das Einschlafen damit leichter fiel. Gleichzeitig stellte ich fest, dass Alkohol mein Hungergefühl dämpfte. Eine neue Sucht bahnte sich an.

Die Erkenntnis und der Wendepunkt

Ich nahm Antidepressiva, doch sie brachten keine wirkliche Lösung. Erst eine Auszeit in einer Klinik für Psychosomatik half mir weiter. Was ich nicht wusste: Die Klinik hatte auch einen Schwerpunkt auf Suchterkrankungen. Ich blieb neun Wochen dort und lernte viel über mich selbst.


Als ich zurück in den Job ging, fiel ich schnell in alte Muster. Nach der Arbeit ging es oft mit Kollegen auf ein Bier – was zunächst harmlos schien. Doch mir wurde bewusst, dass ich dringend etwas unternehmen musste, um nicht erneut in die Abhängigkeit zu rutschen. So entschied ich mich, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen – eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Die Kraft der Gemeinschaft

Beim zweiten Meeting sprach ich meine Zweifel offen aus: „Gehöre ich überhaupt hierher? Ich habe nie drei Flaschen Wodka am Tag getrunken, meinen Job verloren oder auf der Parkbank geschlafen.“ Ein Mann erwiderte nur trocken: „Dann musst du halt noch mehr saufen.“

Doch eine andere Frau, die aus gutem Hause kam und nicht dem stereotypen Bild einer Alkoholikerin entsprach, sagte zu mir: „Du musst nicht erst in der Gosse landen, um hier bei uns Hilfe zu bekommen. Die einzige Voraussetzung für die Zugehörigkeit bei AA ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören.“ In diesem Moment fühlte ich mich zum ersten Mal wirklich verstanden. Ich begann, regelmäßig an Meetings teilzunehmen – bis zu fünfmal pro Woche. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich offen über meine Gefühle sprechen und mich mit Menschen austauschen, die mich wirklich verstanden.

Mein heutiger Weg

Ohne diese Erfahrungen könnte ich heute nicht das tun, was ich liebe: Menschen durch Coaching unterstützen. Ich habe erkannt, dass der Mensch die beste Medizin für den Menschen ist – ein Gedanke, den auch Dr. Walter Lechner prägte.


Viele Erkenntnisse aus meiner Zeit bei den Anonymen Alkoholikern finde ich heute in der Psychologie von Carl Gustav Jung wieder. Auch in meiner Coaching-Ausbildung begegnete mir vieles davon in anderer Form. Alles fügt sich zusammen – und ich folge meinem Herzen.


Meine Geschichte zeigt: Der Weg aus der Sucht ist möglich. Und er beginnt mit der Entscheidung, sich selbst ernst zu nehmen und wert zu fühlen. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.