Wut aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht

Veröffentlicht am 9. Februar 2025 um 14:59

Neurowissenschaftliche Studien haben verschiedene Aspekte der Emotion Wut untersucht, darunter ihre Entstehung, Verarbeitung im Gehirn und Auswirkungen auf Verhalten und Gesundheit.

Gehirnregionen und Wut:

Die Amygdala, ein Teil des limbischen Systems, spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen wie Wut. Sie bewertet sensorische Informationen und trägt zur emotionalen Reaktion bei. Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)-Studien haben gezeigt, dass die Amygdala bei der Verarbeitung von Gefühlen wie Angst, Wut oder Freude aktiv ist.

Einfluss von Stress auf Wut und Emotionsregulation:

Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum untersuchte, wie Männer und Frauen ihre Emotionen unter Stress regulieren. Die Teilnehmenden mussten ihre Hand für drei Minuten in eiskaltes Wasser halten, um eine Stressreaktion auszulösen. Die Ergebnisse zeigten geschlechtsspezifische Unterschiede in der Emotionsregulation unter Stress.

1. Karla McLaren

Karla McLaren, eine angesehene Autorin, Sozialwissenschaftlerin und Forscherin im Bereich der Emotionen, betrachtet Wut als eine schützende Kraft, die unsere Grenzen bewacht und uns aufzeigt, wenn diese verletzt werden. In ihrem Buch "The Language of Emotions" beschreibt sie, dass jede Emotion, einschließlich Wut, eine spezifische Funktion hat und uns wichtige Informationen über unser inneres und äußeres Erleben liefert. Wut signalisiert uns, dass etwas nicht stimmt und motiviert uns, notwendige Veränderungen vorzunehmen, um unser Wohlbefinden zu schützen. McLaren betont die Bedeutung, Wut nicht zu unterdrücken, sondern sie bewusst wahrzunehmen und zu verstehen, um angemessen reagieren zu können. Sie argumentiert, dass das Ignorieren oder Unterdrücken von Emotionen zu negativen Auswirkungen wie psychosomatischen Beschwerden oder unbewussten Verhaltensmustern führen kann. Stattdessen sollten wir lernen, die Sprache unserer Emotionen zu verstehen und sie als wertvolle Hinweise für unser Leben zu nutzen.

2. Johannes Larsson et. al. 

Die Studie "The inner workings of anger: A network analysis of anger and emotion regulation" von Johannes Larsson und Kollegen untersuchte die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Formen von Wut und Strategien zur Emotionsregulation mittels Netzwerkanalyse. Dafür wurden Daten von 538 Erwachsenen (55 % Frauen; Durchschnittsalter 39,8 Jahre), die wegen Wutproblemen eine Behandlung suchten, ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte zwischen März und November 2019 in Schweden. Die Teilnehmenden füllten Fragebögen zu verschiedenen Aspekten von Wut (z. B. Wutausdruck, Wutunterdrückung, wütende Reaktionen, Grübeln über Wut, Trait-Wut, Feindseligkeit, physische und verbale Aggression) sowie zu Emotionsregulationsstrategien (z. B. kognitive Neubewertung, expressives Unterdrücken, Wutentspannung und fünf Achtsamkeitsstrategien) aus. Mittels explorativer Graphanalyse wurden mögliche Cluster innerhalb der Wutkomponenten identifiziert. Anschließend wurden Netzwerke erstellt, die alle Maße der Emotionsregulation einbezogen.

Ergebnisse: Es entstanden zwei Hauptcluster:

Kognitive Komponenten der Wut: Dazu zählen Aspekte wie Grübeln über Wut und Wutunterdrückung.

Verhaltensbezogene Komponenten der Wut: Hierzu gehören physische und verbale Aggression.

Innerhalb der Netzwerke waren die Wutkomponenten stark miteinander verbunden, wobei insbesondere das Grübeln über Wut und die Wutunterdrückung als einflussreich identifiziert wurden. Es wurden mehrere direkte Verbindungen zwischen spezifischen Emotionsregulationsstrategien und kognitiven Wutkomponenten gefunden, während die meisten Strategien nur indirekt mit wütendem Verhalten in Verbindung standen. Interessanterweise zeigte die kognitive Neubewertung keine direkte Verbindung zu den Wutkomponenten.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studie bieten Einblicke in potenzielle Wege, wie verschiedene Emotionsregulationsstrategien unterschiedliche Formen von Wut beeinflussen können. Diese Erkenntnisse könnten als therapeutische Ansatzpunkte dienen, um spezifische Wutprobleme gezielt anzugehen.

3. Dr. Gabor Maté

Dr. Gabor Maté, ein renommierter Arzt und Experte für Trauma und Sucht, betrachtet Wut als eine natürliche und notwendige Emotion, die wichtige Hinweise auf unsere inneren Zustände liefert. Er betont, dass Wut oft ein Signal für verletzte Grenzen oder unerfüllte Bedürfnisse ist und uns dazu auffordert, auf diese aufmerksam zu werden. Diese Grenzverletzungen können auch in der möglicherweise lange zurückliegenden Kindheit entstanden sein. Er spricht dann vom Zorn des hilflosen Kindes. In seinem Buch "When the Body Says No" diskutiert Maté, wie das Unterdrücken von Emotionen, einschließlich Wut, zu körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen führen kann. Er argumentiert, dass das Ignorieren oder Unterdrücken von Wut das Immunsystem beeinträchtigen und das Risiko für verschiedene Krankheiten erhöhen kann. Maté empfiehlt, Wut bewusst wahrzunehmen und zu verstehen, anstatt sie zu unterdrücken oder impulsiv auszuleben. Durch achtsame Selbstreflexion und das Erkennen der zugrunde liegenden Ursachen können wir lernen, Wut konstruktiv zu nutzen und so zu unserem emotionalen und körperlichen Wohlbefinden beitragen.

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